Für die meisten esoterische Schulen ist "Karma" eine wichtige Grundlage. Die Idee des Karma kommt aus dem Hinduismus und wurde durch die Esoterik im Westen neu interpretiert.
Die Idee des Karma kommt aus dem Hinduismus und bedeutet dort ursprünglich, daß alles, was geschieht, eingewoben ist in ein universelles Gesetz des Ausgleichs.
Was auch immer Menschen individuell widerfährt, ist in diesem Sinne eine Revanche für Dinge, die sie vorher getan haben – sowohl im aktuellen Leben wie auch anderen Reinkarnationen. Ziel der hinduistischen Lehre ist es, dem ewigen Kreislauf von Geben und Nehmen ins Nirvana zu entkommen, in dem man ganz harmonisch und neutral lebt.
Das Karma ist also mit anderen Worten ein Konto für gute und schlechte Taten. Die im Universum angesiedelte karmische Abrechnungsstelle behält den Überblick darüber, wie Menschen sich auf der Erde verhalten. Handeln sie gut, werden sie als höheres Wesen wiedergeboren, handeln sich schlecht, als niederes. „Höheres Wesen“ bedeutet in diesem Sinne durchaus, daß es wertvollere und weniger wertvolle Lebensformen, nicht selten auch mehr oder weniger wertvolle Menschen gibt. Die Wiedergeburt geschieht dann je nach Betragen in einer höheren oder niederen Kaste oder (z.B. bei Rudolf Steiner) Rasse.
Die Rezeption des Hinduismus im westlichen Kontext lädt diese Idee mit einem Fortschrittsgedanken auf und formuliert daraus die Vorstellung, daß man gut handeln muss, um in einer höheren Form wiedergeboren zu werden.
Die traditionelle Variante führt in der Konsequenz zu einer zynischen und menschenfeindlichen Haltung. Dadurch, daß in letzter Instanz quasi gesetzmäßig ein Ausgleich stattfindet, ist natürlich jedes Geschehen gerechtfertigt, weil es ja entweder Ergebnis vorherigen Handelns ist oder aber später – im nächsten Leben – ausgeglichen werden wird. Werturteile über Handeln lassen sich so nicht mehr fällen, es ist geradezu ein Ziel dieser Philosophie, sich Beurteilungen zu enthalten. Bei vielen EsoterikerInnen wird in diesem Sinne auch Brutalität bis hin zu Massenmorden gerechtfertigt: Bekannt wurde der Fall von Trutz Hardo, der den karmischen Gedanken auf die Shoa anwendet und sie als gigantische Abladung von karmischer Schuld deutet.
Die moderne (westlich beeinflusste) Variante des Karmaglaubens leitet dagegen aus dem Ausgleichsgedanken eine Anleitung für humanistisches Handeln ab: „Handle gut, damit Du in einer höheren Position wiedergeboren wirst.“ Das dahinterliegende Denken ist zweckrational – man handelt aus der Motivation heraus, voran zu kommen und sich gewissermaßen zu verbessern – was der älteren, traditionellen Karma-Idee völlig widerspricht.
Neben dem traditionellen Zynismus und der modernen, humanistischen Variante, bietet die zeitgenössische Esoterik noch eine dritte Möglichkeit, mit der karmischen Schuld umzugehen:
In der postmodernen Variante – wie sie bei den in dieser Broschüre vorgestellten Energieheilverfahren vertreten wird –, kann das gestörten Gleichgewicht (das beispielsweise Rückenschmerzen hervorruft) vom Energieheiler wieder ausbalanciert werden. Um danach das Gleichgewicht auf höherer Ebene wieder herzustellen, müssen 40€ Energieausgleich fließen.
In diesem Sinne macht es postmoderne Esoterik möglich, die kosmische Abrechnungsstelle direkt ans Bankkonto anzuschließen.
Alle drei Varianten lassen sich in Korrespondenz zum jeweiligen gesellschaftlichen Zusammenhang deuten: In der Tradition geht es um die Einbindung in kosmische Strukturen, die nicht beeinflusst werden können – Ziel ist es, den eigenen Platz zu akzeptieren. Die moderne Variante rückt das Individuum und sein Streben nach Höherem in den Mittelpunkt und formuliert einen humanistischen Gedanken, der freilich letzten Endes doch nur ein egoistischer ist. Die postmoderne Variante entkleidet die Nutzenoptimierung vom Ballast von Werten und Humanismus und organisiert das ganze konsequenter Weise vollends warenförmig.